www.Wahrheit.TV : Die Macht der Banken – wie die Finanzlobby die Politik bestimmt

Trotz der schweren Finanzkrise funktioniert die Arbeit der Bankenlobby weiterhin reibungslos. Ihr Ziel ist es, eine Regulierung der Finanzmärkte zu verhindern. Wie KONTRASTE zeigt, sitzen Politik und Lobby sogar regelmäßig an einem Tisch.
Man kann es kaum glauben: Bis zu drei Prozent Wirtschaftswachstum. Aufschwung. Krise überwunden. Manche Politiker vermitteln den Eindruck, wir hätten die Finanzkrise hinter uns und alles sei im Griff. Auch die Banken werden vermeintlic...
...an die Kandarre genommen und sollen Geld in einen Fonds einzahlen, um künftig angeschlagene Geldhäuser zu stützen. Doch die Summen sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Will uns die Regierung tatsächlich weismachen, solche dürftigen Maßnahmen schützten uns vor einer möglichen weiteren Finanzkrise? Nötig wäre es, endlich an die Wurzeln des Problems zu gehen und für eine schärfere Regulierung der Finanzmärkte zu sorgen. Detlef Schwarzer zeigt, wie die Bankenlobby das jedoch verhindert.

Nachdenklichkeit in den Augen von Gerhard Schick. Er ist Bundestagsabgeordneter der Grünen. Eine einfache Frage lässt ihn nicht mehr los. Für wen machen er und die Abgeordneten der anderen Parteien eigentlich die Gesetze: für die Bürger oder für die Banken? Und: Können sich die Abgeordneten überhaupt noch wehren gegen die massive Lobbyarbeit der Finanzinstitute?

Gerhard Schick (B‘90/Die Grünen), MdB
„Ich befürchte - mit vielen anderen Parlamentariern übrigens -, dass es uns nicht gelingt, die Finanzmärkte wirksam zu regulieren, weil die Kraft der Finanzbranche so stark ist, diese Regeln zu verhindern.“

Der renommierte Strafrechtler und Kriminologe Peter Alexis Albrecht geht noch weiter:

Prof. Peter-Alexis Albrecht, Strafrechtsexperte
„Man kann sagen, dass das, was die Finanzlobby will, politisch auch umgesetzt wird in diesem Lande.“

Für diese Annahme gibt es gewichtige Gründe, wie KONTRASTE herausfand. In Deutschland sitzt die Regierung, von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, mit den Banken an einem Tisch, um die Regulierung der Finanzmärkte abzusprechen - in der sogenannten „Initiative Finanzstandort Deutschland.“ Die Großbanken und Versicherungen gemeinsam mit dem Bundesministerium der Finanzen und der Bundesbank – in einer Lobby.

Der Chef der Deutschen Bank ist - welch Wunder - voll des Lobes über die großartige Zusammenarbeit mit der Bundesregierung.

Josef Ackermann, Deutsche Bank
„Der Wert eines engen Austausches zwischen Politik und Finanzwirtschaft hat sich in der Krise bewiesen.“

Für den Finanzexperten Hans-Peter Schwintowski ist dieser „ enge Austausch“ völlig unakzeptabel.

Prof. Hans-Peter Schwintowski, Finanzexperte
„Das geht nach meiner Meinung nicht. Denn das führt automatisch dazu, dass die gegenseitigen und gegensätzlichen Positionen womöglich vermengt werden und dass der Staat womöglich zum Sprachrohr der Branche selbst wird. Das darf und soll nicht sein. Ich bin der Meinung, wir müssen so etwas trennen.“

Der Einfluss der Finanzlobby ist massiv. Heute tut sich die Bundesregierung schwer, das zurückzudrehen, was frühere Regierungen auf Druck der Banken selbst zugelassen haben – die starke Liberalisierung des Finanzmarktes, die zur größten Finanzkrise seit den 30er Jahren geführt hat.

Rückblick. Anfang 2000 drohen die Banken mit Jobabbau und Abwanderung in die Finanzzentren London und New York. Dort war das Kreditgeschäft mit neuartigen Finanzprodukten, sogenannten „Kreditverbriefungen“, in Mode gekommen, riesige Summen ließen sich damit verdienen. Deutschland verschlafe die Entwicklung der Märkte, warnen die Banker.

Josef Ackermann, Deutsche Bank
„Wacht auf Deutschland, das kann ich nur sagen.“

Kanzler Schröder reagiert prompt und weicht die Finanzmarktregeln im Sinne der Banken auf. Sein Ziel: mehr Kredite für die mittelständische Wirtschaft und mehr Jobs in der Finanzbranche. Die rechtlichen Schranken für die Kreditvergabe sollen gelockert werden.

März 2003: Finanzminister Eichel kündigt eine Finanzmarktreform an, um den Finanzplatz Deutschland zu stärken.

Mai 2003: Eben die „Initiative Finanzstandort Deutschland“ wird gegründet von Finanzminister Eichel und den größten Geldinstituten. Die Banken versprechen, Deutschland treu zu bleiben und mehr Kredite an die Wirtschaft zu geben. Die Gegenleistung des Finanzministers: Die Banken brauchen für ihr Geschäft mit Kreditverbriefungen kaum noch Eigenkapital.

Juni 2003: eine Bundestagssitzung in fast leerem Plenum. Das „Kleinunternehmenförderungsgesetz“ wird verabschiedet. Geschickt vom Finanzministerium darin verpackt, die Gewerbesteuerbefreiung für Kreditverbriefungen, die den Banken ungeheure Profite beschert. Die Abgeordneten aller Parteien ahnungslos. Sie glauben, es gehe nur um Mittelstandsförderung.

Die Banken waren am Ziel, die Regierung hat´s möglich gemacht und die Abgeordneten haben es ohne jegliche Ahnung abgesegnet.

Prof. Hans-Peter Schwintowski, Finanzexperte
„Die Abgeordneten haben also wahrscheinlich gar nicht gemerkt, dass sie hier auch ganz gigantische Risiken der Banken gerade von der Gewerbesteuer befreit haben und ihnen ist nicht bewusst gewesen, was sie hier tun, weil sie ja glaubten, sie machen Mittelstandsförderung.“

Die Regierungen haben seit 2003 mehrfach gewechselt. Erst haben sie mitgemacht, doch jetzt zögern sie, die Finanzmarktregeln wieder zu verschärfen, obwohl ihre Aufweichung zu Milliardenverlusten für den Steuerzahler geführt hat. Die Bürger aber wollen scharfe Finanzmarktregeln und dass die, die das Desaster verursacht haben, zur Rechenschaft gezogen werden.

Der Strafrechtler Prof. Albrecht hat da wenig Hoffnung. Juristisch belangt wird wohl kaum einer. Und: Das Geflecht von Politik und Finanzwirtschaft sei so undurchdringlich. Alles werde weitergehen wie bisher.

Prof. Peter Alexis Albrecht, Strafrechtsexperte
„Das ist Kapitalismus pur. Der Kapitalismus entwickelt sich zu einem Moloch, zu einem Gespenst, der nicht mehr kontrollierbar ist durch Öffentlichkeit. Politik und Ökonomie bilden zwei Teilsysteme, die unter sich das Geschäft ausmachen. Leidtragender ist der Bürger. Er wird irgendwann mit langer Nase da sitzen.“

Die Kungelei geht munter weiter. Jetzt arbeitet die „Initiative Finanzstandort Deutschland“ dafür, eine scharfe Regulierung zu verhindern, damit die Spekulationsgewinne weiter sprudeln können. Harte Finanzmarkregeln würden nur den Finanzstandort Deutschland gefährden.

Josef Ackermann, Initiative Finanzstandort Deutschland
„Ebenso haben wir ein elementares Interesse daran, dass neue Regulierungen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen und der Benachteiligung deutscher Institute führt.“

Vom Bundesfinanzminister – keinerlei Widerspruch. Ein Interview für KONTRASTE lehnt er ab. Schriftlich nur soviel:

Zitat
„Eine Mitgliedschaft in einem solchen Netzwerk bedeutet nicht, dass das BMF - das Bundesfinanzministerium - oder die Bundesbank sich die Interessen der weiteren Mitglieder zueigen machen.“

Der Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick sieht das ganz anders und fordert Konsequenzen.

Gerhard Schick (B‘90/Die Grünen), MdB
„Wenn wir stabile Regeln für die Finanzmärkte haben wollen, dann muss die Kungelei zwischen Finanzbranche und Politik endlich aufhören. Die Politik muss klare Regeln setzen, denn sonst gehen die Interessen von Bürgerinnen und Bürgern hinten runter und die Finanzbranche setzt sich durch. Und deswegen müssen Bundesbank und Bundesregierung sich aus der Initiative Finanzstandort Deutschland zurückziehen.“


Autor: Detlef Schwarzer

Dieser Text gibt den Sachstand vom 26.08.2010 wieder. Neuere Entwicklungen sind in diesem Beitrag nicht berücksichtigt.

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